Psychodrama – die Methode, die ich gelernt habe
Beim Psychodrama geht es darum, sich im wahrsten Sinne des Wortes etwas „begreiflich“ zu machen, dessen „ansichtig“ zu werden. Es geht also darum, das eigene Denken, Handeln und dessen Zusammenhänge erlebbar und sichtbar zu machen. Erst dann können sie bearbeitet und verändert werden.
Begegnung, Kreativität und Spontaneität sind dabei wichtig. Jakob Levi Moreno (1889 – 1974), der Begründer dieses Verfahrens, ging davon aus, dass kranke Menschen den Kontakt zu diesen universellen Kräften verloren haben. In der praktischen Umsetzung geht es darum, den Kontakt – zu den für alle Menschen gleichsam wirkenden Kräften – wieder zu erlangen. Wesentlich dabei ist die Gestaltung von Beziehungen, zu sich selber und zu anderen.
Das „wahre zweite Mal“
Moreno prägte den Begriff das „wahre zweite Mal“ und meinte damit, das Entwickeln und Erfahren einer besseren, schöneren und positiveren Variante von sich selbst. Neurobiologisch sind die neuen Erzählungen für den jeweiligen Menschen auf der gefühlten Ebene von gleicher Wichtigkeit wie die erlebten. Das bedeutet, dass wir der erlebten Geschichte eine positive Variante zur Seite stellen können. So entwickelt sich der Möglichkeitsraum immer weiter und es entstehen mehr Freiheiten. Denn nun haben wir die Wahl: wollen wir die „alte“ Geschichte stehen lassen oder mit der „neuen“ Geschichte den Möglichkeitsraum erweitern?
Wichtig hierbei ist es, das Neue als handelnde Person zu begehen und einzurichten. Moreno selbst bezeichnete das Psychodrama als „Methode, die die Wahrheit der Seele durch Handeln ergründet“.
Methodenvielfalt
In der täglichen Arbeit habe ich gelernt, dass eine Behandlung nur gut wirkt, wenn sie auch gut passt: also für die Patient:innen, zu deren Aufgabenstellung und Verfassung passt. So habe ich mir in Laufe der Jahre viele unterschiedliche zusätzliche Methoden und Verfahren in vielen Aus- und Weiterbildungen angeeignet und mit meiner Basisausbildung im Psychotherapieverfahren Psychodrama kombiniert.
Systemische Naturtherapie: Hier wird sprichwörtlich die Natur zum Praxisraum und Therapeutin. Anbindung an die schöpferischen Kräfte in der Natur ist ein wesentlicher Teil dieser Begleitungsform. Manchmal wird ein kleiner Auftrag, z.B. einen guten Platz zu finden und eine Kerze anzuzünden, zu einem großen Abenteuer und führt zu einer tiefen inneren Berührung/Wandlung.
Systemische Aufstellungsarbeit: Die Welt um uns herum ist voller Wissen. Der Blickwinkel einer anderen Person in unserem System hat Relevanz für uns. Wir verstehen dabei den Menschen wie in einem Netzwerk (soziales Atom). Das Interesse liegt dabei im Eingebundensein und der wechselseitigen Beziehungen innerhalb von Familien. So kann ein Symptom, eine Krankheit, ein Problem ebenso gestellt werden und die inneren Beziehungen, psychodynamischen Aspekte werden sichtbar gemacht. Mögliche Lösungs- und Veränderungsschritte kommen in Bewegung.
Weitere Methoden
Idiolektik: nennen wir den professionellen Umgang mit der Eigensprache des Menschen. Darin kommt der Mensch umfassend und in der Ganzheit zum Ausdruck. Der Mensch weiß selbst am besten, was gut für sie oder ihn ist und handelt entsprechend, ist dabei eine Leitidee. Die Kraft der Veränderung durch ein innewohnendes Selbstorganisationsprinzip wurde von A.D. Jonas als „innere Weisheit“ bezeichnet. Diese Annahme entlastet von dem vermeintlichen zielorientierten Vorgehen und wissen müssen. Es macht frei für eine Ressourcen-orientierte-Psychotherapie. Dies führt zu einer angemessenen Bewältigungsstrategie in der jeweiligen Situation.
EMDR: steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing, was auf Deutsch „Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung“ bedeutet. Dieses Verfahren wende ich oft in der Bearbeitung traumatischer Erfahrungen an.
BKPT: in der bindungsorientierten Körperpsychotherapie (BKPT) sind wir ganz nahe im Kontakt, auch mit einer Berührung. Die Patient:innen merken, dass ihnen dabei ein besserer Umgang mit ihrem Stress gelingt und lernen mit sich einen einfühlsameren kompetenteren Umgang. Sie werden selbstwirksam. Lösungen entstehen dabei natürlich und ohne Druck. Stichworte: Herzarbeit, Nabelschnurtechnik, Sicherheitsstation.
Birth-Imprint: Der bekannte Philosoph Peter Sloterdijk beschreibt uns als „ankünftige“ und „geburtliche“ Wesen. Unsere Erfahrungen, die wir dabei machen, sind unserem Bewusstsein nicht als Erinnerung zugänglich, allerdings als Körpererfahrung und „Bemusterung“. Das heißt, „es macht was“ mit uns und hat einen Einfluss auf unser zukünftiges Leben. Die Umstände der Ankunft prägen uns auf jeweils sehr persönliche Weise. Der Übergang, wie es auch heißt, vom vorgeburtlichen Leben in Schwebe und maritimer Umgebung, zu Schwerkraft, Atmen und Zimmertemperatur wird auch „Transition“ genannt und ist ein bedeutsamer Abschnitt im Leben jedes Menschen.
In der Psychotherapie wird diese besondere Zeit etwas beleuchtet, im Sinne eines Verstehen-Wollens. Es ist möglich, traumatische Erfahrungen im Einzelsetting oder in der Gruppe zu bearbeiten, sozusagen die Geburtserfahrung als „das wahre 2. Mal“ zu erleben. Das „wahre 2. Mal“ ist ein Kunstprojekt, das jedoch nicht die erste Geburt überschreibt, sondern Wahlmöglichkeiten bietet, sich zwischen der ersten und der zweiten Geburt zu entschieden.